„Im Fokus steht nachhaltiges Wachstum

Hinter der VIG liegt ein erfolgreiches und arbeitsintensives Geschäftsjahr. Auch im Jahr 2017 wurden wesentliche Weichenstellungen für die Zukunft getroffen. Der Vorstand im Interview über die Vorteile der Vielfalt, die Chancen in CEE und erste Erfolge der Agenda 2020.

Der Vorstand der VIG: Judit Havasi, Franz Fuchs, CEO Elisabeth Stadler, Peter Höfinger, Martin Simhandl und Liane Hirner (v. l. n. r.) (Foto, © Ian Ehm)

Der Vorstand der VIG: Judit Havasi, Franz Fuchs, CEO Elisabeth Stadler, Peter Höfinger, Martin Simhandl und Liane Hirner (v. l. n. r.)

Frau Generaldirektorin, wie zufrieden sind Sie mit dem Geschäftsjahr 2017?

Elisabeth Stadler: Prämien- und Gewinnwachstum sind die erfreulichen Resultate unserer konsequent verfolgten Geschäftsstrategie. Damit beweisen wir neuerlich, dass wir ein zuverlässiger, stabiler Partner sind. Wir haben im letzten Jahr viele Maßnahmen gesetzt, die sicherstellen, dass wir für die Herausforderungen der Zukunft gut gerüstet sind: Wir haben die digitale Transformation der gesamten Gruppe vorangetrieben, wichtige Impulse für den Ausbau des Bankenversicherungsgeschäfts gesetzt und uns mit viel Energie und Elan auch den weiteren Initiativen unseres strategischen Arbeitsprogramms Agenda 2020 gewidmet.

„Prämien- und Gewinnwachstum sind die erfreulichen Resultate unserer konsequent verfolgten Geschäftsstrategie. Damit beweisen wir neuerlich, dass wir ein zuverlässiger, stabiler Partner sind.

Elisabeth Stadler
Elisabeth Stadler (Porträt, © Ian Ehm)

Herr Simhandl, wie beurteilen Sie als CFO die Performance der VIG?

Martin Simhandl: Wir konnten den im Vorjahr begonnenen Aufwärtstrend fortsetzen und uns im Vergleich zum Ergebnis 2016 weiter verbessern. Die verrechneten Konzernprämien stiegen um 3,7% auf EUR 9,4 Mrd. Bereinigt um Einmalerläge aus der Lebensversicherung, wo wir weiterhin eine bewusst vorsichtige Zeichnungspolitik verfolgen, liegt der Anstieg sogar bei 6,2%. Das Ergebnis vor Steuern wuchs deutlich um 8,8%. Das liegt zum einen an der ganzjährigen Einbeziehung der Gemeinnützigen Gesellschaften als vollkonsolidierte Unternehmen, zum anderen an der guten Entwicklung des Versicherungsgeschäfts.

Martin Simhandl (Porträt, © Ian Ehm)

Wir konnten den im Vorjahr begonnenen Aufwärtstrend fortsetzen und uns weiter verbessern.“

Martin Simhandl

Wie schätzen Sie die Chancen und Risiken in Mittel- und Osteuropa ein?

Franz Fuchs: Wir spüren den wirtschaftlichen Aufschwung, der 2017 eingesetzt hat. Die Menschen blicken wieder zuversichtlicher in die Zukunft. Sie profitieren von der positiven Wirtschaftsentwicklung, durch welche 2017 ihre Konsumausgaben gestiegen sind. Wir sehen uns in unserer Überzeugung bestätigt, dass die CEE-Region großes Geschäftspotenzial bietet. Wir sind optimal positioniert, um diese Chancen zu nutzen. Natürlich kann es in einem einzelnen Markt, etwa durch regulatorische Veränderungen, von Zeit zu Zeit holpriger laufen. Aber durch unser lokales Management können wir gut mit solchen Herausforderungen umgehen. Und die regionale Diversität sowie die Produkt- und Vertriebsvielfalt unserer Gruppe reduzieren insgesamt das Risiko, dem wir ausgesetzt sind.

Die CEE-Region bietet großes Geschäftspotenzial und wir sind optimal positioniert, um diese Chancen zu nutzen.“

Franz Fuchs
Franz Fuchs (Porträt, © Ian Ehm)

Wie soll sich das Geschäft in CEE weiter entwickeln?

Stadler: Wir sehen für das Versicherungsgeschäft in CEE noch viel Luft nach oben. Wir wollen kontinuierlich wachsen, sowohl organisch als auch durch Zukäufe. Im Fokus steht dabei insbesondere nachhaltiges Wachstum. Nachhaltig ist ein Geschäft nur, wenn es auch ertragreich ist. Anders gesagt: Wir wachsen nicht um des Wachsens willen, sondern wir wollen dies gezielt, in ausgewählten Geschäftsbereichen tun. In der Lebensversicherung setzen wir verstärkt auf die Abdeckung von biometrischen Risiken und auf fondsgebundene Produkte. In der Sachversicherung forcieren wir das Nicht-Kfz-Geschäft. Besonderes Potenzial sehen wir im Ausbau der Krankenversicherung, wozu wir auch in einigen Märkten ganz spezifische Schwerpunkte setzen.

Peter Höfinger: Das Gleiche gilt für Akquisitionen. Wir prüfen laufend entsprechende Möglichkeiten am Markt. Nicht alles, was wir uns ansehen, entspricht auch unseren Anforderungen. 2017 haben wir im Baltikum und in Bosnien-Herzegowina Zukäufe eingeleitet. Im Baltikum werden wir damit unsere Vorrangstellung festigen und bewusst in die Ausweitung des Nichtlebensgeschäfts in Estland investieren. In Bosnien-Herzegowina sind wir nun mit dem Erwerb in allen Landesteilen vertreten. Zudem haben wir das Lebensversicherungsgeschäft verstärkt und unseren Marktanteil nahezu verdoppelt.

Sie haben die Agenda 2020 als strategisches Arbeitsprogramm vorgestellt. Wie läuft die Umsetzung?

Stadler: Mit der Agenda 2020 haben wir uns zum Ziel gesetzt, unser Geschäftsmodell zu optimieren und neue Geschäftsmöglichkeiten zu erschließen. Beides sind keine Aufgaben, die man über Nacht erledigt. Umso mehr freut es uns, dass wir bereits nach kurzer Zeit erste Erfolge sehen. 2017 haben wir uns entschlossen, unsere lokalen Allspartenversicherer mit unseren auf den Bankvertrieb spezialisierten Lebensgesellschaften zusammenzuführen. Und zwar in Österreich, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Ungarn und Kroatien. Wir bündeln hier Ressourcen und Kompetenzen, um unseren Bankversicherungspartner Erste Group noch besser bei der Beratung und beim Verkauf von Versicherungsprodukten zu unterstützen. Davon profitieren vor allem die Kunden. Wir wollen die Wachstumspotenziale im Bankvertrieb insbesondere von Sach- und Krankenversicherungen ausschöpfen. Dazu werden wir unsere Produkte vereinfachen und verständlicher gestalten sowie stärker in den Onlinevertrieb der Bank einbinden.

Welche Fortschritte haben Sie in den anderen Projekten der Agenda 2020 erzielt?

Fuchs: Bei den Maßnahmen rund um das Thema Schadenmanagement sind wir in einer ersten Umsetzungs- bzw. frühen Roll-out-Phase. Unsere Erwartungen in Hinblick auf das Einsparungspotenzial des Closed-File-Reviews nach der VIG-spezifischen Methode wurden im Pilotprojekt in Polen sogar übertroffen. Hier heißt es für uns im nächsten Schritt, Land für Land und Sparte für Sparte einzubinden. Diese Maßnahmen helfen uns dabei, unsere Schaden-Kostenquote, die Combined Ratio, weiter in Richtung 95% zu senken. Die erwarteten Einsparungen aus den Initiativen werden dieses Ziel ebenfalls unterstützen. Das gilt etwa für die Synergieeffekte durch die von Elisabeth Stadler bereits angesprochenen Fusionen und die Maßnahmen zur Ertragsoptimierung in der Kfz-Versicherung, wo wir uns im ersten Schritt auf die Optimierung von Auslandsschäden konzentrieren. Im abgelaufenen Geschäftsjahr konnten wir die konzernweite Combined Ratio auf 96,7% senken. Und das trotz Naturereignissen wie dem Sturm Herwart Ende Oktober, der bis Jahresende gruppenweit Schäden in Höhe von rund EUR 28 Mio. netto verursachte.

Der Konzernbericht 2017 steht unter dem Motto „Wir leben Vielfalt“. Warum ist Ihnen diese Botschaft so wichtig?

Stadler: Vielfalt und Diversität sind in aller Munde. Aber während andere nur darüber reden, leben wir diese Prinzipien seit jeher. Der offene Umgang mit Vielfalt ist ein wichtiger Erfolgsfaktor der Vienna Insurance Group. Der Zugang zu den Kunden ist von Land zu Land anders. Daher setzen wir bewusst auf regional etablierte Marken und die Expertise des lokalen Managements. Zudem ermöglicht uns die breite Aufstellung in unterschiedlichen Märkten mit verschiedenen Marken und Vertriebswegen, auch in Zeiten großer Herausforderungen erfolgreich zu bleiben.

Höfinger: Wir sind ein Konzern, der Respekt vor lokalen Kulturen hat, der nicht uniformiert. Darauf sind wir stolz. Vor allem sind wir auch überzeugt, dass uns dieser Zugang erfolgreicher macht.

Peter Höfinger (Porträt, © Ian Ehm)

Wir sind ein Konzern, der Respekt vor lokalen Kulturen hat, der nicht uniformiert. Darauf sind wir stolz.“

Peter Höfinger

Wie verträgt sich die Idee der Vielfalt mit der Digitalisierung?

Stadler: Wir geben unseren Konzerngesellschaften den Freiraum und die Eigenständigkeit, Digitalisierungsprojekte zu starten und aus Ideen Realität werden zu lassen. Im Rahmen unserer Offensive haben wir 2017 ein digitales Zielbild entwickelt, das jede Versicherungsgesellschaft von ihrem individuellen Ausgangspunkt aus auf ihrem Transformationsprozess begleiten soll. Tempo, Schwerpunkte und Maßnahmen können von Gesellschaft zu Gesellschaft unterschiedlich sein. Die Holding nimmt dabei eine unterstützende Rolle für die Konzerngesellschaften ein.

Wie entwickelt sich die IT-Landschaft der VIG, vor allem unter dem Aspekt der Digitalisierung?

Judit Havasi: Grundsätzlich ist unsere IT-Landschaft dezentral, aber wir sorgen für die richtigen Schnittstellen. Damit schaffen wir auch die Voraussetzung für die intelligente Nutzung von Daten, wie sie in unserem digitalen Zielbild definiert ist. Das Beispiel Österreich veranschaulicht die aktuellen Entwicklungen: Unsere Konzerngesellschaften Wiener Städtische und Donau Versicherung haben zwei Programme aufgesetzt, die Hand in Hand gehen. Das organisatorische Programm zielt darauf ab, die Komplexität in den Produktstrukturen zu reduzieren und Prozesse und Regelungen zu harmonisieren. Im Fokus des zweiten Programms steht die Modernisierung der IT-Lösungen für die Verwaltung von Versicherungsverträgen. Was ich damit verdeutlichen möchte: Nur die IT-Landschaft zu modernisieren reicht nicht aus, um die digitale Transformation voranzutreiben. Wir wollen auch unsere Prozesse hinterfragen und einfachen, klaren Lösungen den Vorzug geben.

Wie steht es um die Kapitalausstattung der VIG, vor allem in Hinblick auf Solvency II?

Havasi: Die Solvenzquote der VIG, durchgerechnet auf die Ebene des börsennotierten Konzerns, beträgt 220%, für die VIG Holding als Einzelgesellschaft 389%. Damit sind wir mit unserer Solvabilität für die Zukunft gut aufgestellt.

Mit unserer Solvabilität sind wir für die Zukunft gut aufgestellt.“

Judit Havasi
Judit Havasi (Porträt, © Ian Ehm)

Simhandl: Auch die beiden Anleiheemissionen im Jahr 2017 von Vienna Insurance Group und Wiener Städtische unterstreichen unsere langfristige Planung. Wir haben das günstige Zinsumfeld genutzt und unsere Kapitalkostenstruktur weiter verbessert.

Wie steht die VIG den bevorstehenden regulatorischen Änderungen gegenüber?

Stadler: Neue regulatorische Herausforderungen wird es wohl immer geben. Im letzten Geschäftsjahr haben uns unter anderem die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die Versicherungsvertriebs-Richtlinie IDD und die PRIIPs-Verordnung über Basisinformationsblätter für Versicherungsanlageprodukte beschäftigt. Die Versicherungswirtschaft ist bereits stark reguliert und wird mit immer strikteren Regelungen konfrontiert. Das ist für die gesamte Branche eine große Herausforderung. Aber die Vienna Insurance Group ist gut gerüstet. Die Holding bietet den Konzerngesellschaften Unterstützung bei der Umsetzung der regulatorischen Anforderungen in Form von Workshops und individueller Beratung.

Frau Hirner, Sie sind seit Februar 2018 Vorstandsmitglied. Eine der ersten großen Herausforderungen in Ihrer neuen Tätigkeit wird wohl IFRS 17 sein.

Liane Hirner: Ja, richtig. Ich freue mich auf diese und weitere Herausforderungen, die auf mich als Vorstandsmitglied der Vienna Insurance Group zukommen werden. IFRS 17 läutet für die VIG und die gesamte Versicherungsbranche ab 2021 eine neue Ära der Rechnungslegung ein. Die Bilanzierung von Versicherungsverträgen erfolgt nach neuen Prinzipien. Die versicherungstechnischen Verbindlichkeiten in der Bilanz werden neu bewertet, auch die Darstellung der Gewinn- und Verlustrechnung wird sich diesbezüglich grundlegend ändern. Für den Vergleich von Versicherungskonzernen werden zukünftig neue Kennzahlen beziehungsweise bestehende Kennzahlen mit neuer Aussagekraft herangezogen. Die Vienna Insurance Group hat 2017 ein konzernweites Projekt gestartet, das zentral von Wien aus gesteuert wird und eine fundierte Vorbereitung der gesamten Gruppe auf IFRS 17 sicherstellt.

Liane Hirner (Porträt, © Ian Ehm)

„IFRS 17 läutet für die VIG und die gesamte Versicherungsbranche ab 2021 eine neue Ära der Rechnungslegung ein.

Liane Hirner

Welche Ziele setzt sich die VIG für die Zukunft?

Stadler: Eine wesentliche Herausforderung besteht weiterhin darin, mit den Auswirkungen des Niedrigzinsumfeldes umzugehen. Unsere Antwort: Wir werden die Profitabilität weiter optimieren und die strategischen Maßnahmen der Agenda 2020 vorantreiben. Das gelingt uns bis jetzt sehr gut. Wir gehen davon aus, dass wir die für 2019 anvisierten Ziele bereits ein Jahr früher erreichen werden. Daher haben wir unsere Ziele für 2020 angepasst: Wir peilen einen Vorsteuergewinn zwischen EUR 500 und 520 Mio. an, ein Prämienvolumen über EUR 10 Mrd. sowie eine Combined Ratio von rund 95%. Natürlich sind das ambitionierte, aber dennoch realistische Ziele. Im Rahmen unserer Aktivitäten der Agenda 2020 ist es uns gelungen, den offenen Austausch innerhalb der Gruppe und die Zusammenarbeit zu stärken. Dieses positive Klima wollen wir weiter nutzen. Nur wer auch Bereitschaft zur Veränderung zeigt, wird langfristig ein zuverlässiger Partner und erfolgreich sein.